Kleiner Sieg für die Transparenz

Wer herausfinden will, wem Immobilien gehören, muss Grundstück um Grundstück einzeln abfragen. Serielle und personenbezogene Grundbuchanfragen seien nicht möglich, heisst es immer wieder. Doch stimmt das wirklich? REFLEKT ist vor Gericht gegangen, um Klarheit zu schaffen. Mit Erfolg.

Im Rahmen unserer Recherche «Cities for Sale» wollten wir unter anderem herausfinden, welche Firmen die meisten Wohnungen in Zürich besitzen und wie sich ihr Portfolio in den letzten Jahren verändert hat. Es zeigte sich: Mit Abstand am meisten Wohnungen gehören dem Versicherungs-Konzern Swiss Life.

Anders als etwa die UBS oder die CS macht die Swiss Life Gruppe nicht publik, welche Wohnungen sie besitzt. Das ist legitim, aufgrund der dominanten Rolle des Unternehmens aber zumindest fragwürdig. Weshalb sollte es ein Geheimnis sein, welche Wohnungen der grössten Immo-Firma der Stadt gehören? Besteht daran nicht ein öffentliches Interesse?

Da die Förderung von Transparenz eines unserer Hauptziele ist, gaben wir uns damit nicht zufrieden. Zusammen mit Tsüri.ch fragten wir alle 11 städtischen Grundbuchämter an, ob sie uns die Daten zum Immobilienbesitz der Swiss Life Firmen herausgeben. Unsere Argumentation: Das Grundbuch ist öffentlich – wer kein besonderes Interesse glaubhaft machen kann, erhält zumindest Auskunft über einzelne Grundstücke. Wir als Recherche-Team haben a ein überwiegendes Interesse an einer personenbezogenen Auskunft. Schliesslich wollen wir der Öffentlichkeit aufzeigen, welche Wohnungen ein bestimmtes Unternehmen besitzt und welchen Einfluss es damit auf unseren Alltag hat. Dazu Art. 970 Abs. 1 ZGB: «Wer ein Interesse glaubhaft macht, hat Anspruch darauf, dass ihm Einsicht in das Grundbuch gewährt oder dass ihm daraus ein Auszug erstellt wird.»

Nachdem wir dieses Interesse begründet hatten, erhielten wir die gewünschten Informationen von 10 der 11 Grundbuchämter. Nur eines weigerte sich mit der Begründung, dass unser Einsichtsrecht auf einzelne Grundstücke limitiert ist. Wir könnten daher nicht alle Grundstücke einer Firma abfragen. Auch damit gaben wir uns nicht zufrieden und reichten beim Bezirksgericht Zürich Beschwerde ein. Diese wurde nun gutgeheissen.

Im Entscheid vom 1. Juni 2021 hält das Bezirksgericht fest, dass das betreffende Grundbuchamt die verlangten Auskünfte erteilen muss. In der Begründung heisst es:

Wie vom Beschwerdeführer zu Recht geltend gemacht, kann ein berechtigtes Interesse nach Art. 970 Abs. 1 ZGB laut Botschaft zum Bundesgesetz über Zertifizierungsdienste im Bereich der digitalen Signatur (ZertES) vom 3. Juli 2001 «nicht bloss einmalig für einen bestimmten Fall, sondern neu auch generell für mehrere Abfragen geltend bzw. glaubhaft gemacht werden.» Zudem kann die Einsichtnahme nach Art. 970 Abs. 1 ZGB im Unterschied zu Art. 970 Abs. 2 ZGB nicht nur grundstückbezogen sondern auch personenbezogen erfolgen. Ein Serien- oder Massenauskunftsbegehren im Sinne einer Anfrage über eine Vielzahl von Auskünften über nicht konkretisierte Grundstücke ist somit i.S.V Art. 970 Abs. 1 ZGB (neu) personenbezogen möglich

Kurz: Wer sein Interesse bei journalistischen Anfragen ausreichend begründen kann, erhält Auskunft über alle Grundstücke, die einer bestimmten Firma oder Einzelperson gehören. Um Transparenz im oft sehr intransparenten Immobilienmarkt zu schaffen, kann das ein wichtiges Werkzeug sein.

Gegen den Entscheid des Bezirksgerichts kann die Gegenpartei innert 30 Tagen Beschwerde beim Obergericht des Kantons Zürich einreichen.