Wie ein Schweizer eine internationale Organisation erfand und damit Politiker und Unternehmer hinters Licht führte. Eine Recherche aus der Parallelwelt selbsternannter Würdeträger.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Global Union gibt sich als internationale Organisation mit Sitz in der Schweiz aus. Sie sammelt Spenden und setzt sich laut eigenen Angaben für Frieden und humanitäre Hilfe ein.
- Auf ihrer Webseite präsentiert sie Minister, Botschafter und einen eigenen Gerichtshof. Mit dabei: illustre Figuren, vom ehemaligen Premier des Libanon über eine deutsche Schauspielerin bis hin zu einem FDP-Politiker aus St. Gallen.
- REFLEKT-Recherchen zeigen: Die Global Union ist eine Scheinorganisation. Ihre Botschafter verfügen über kein Mandat, ihr Land zu vertreten. Die Adresse des Hauptquartiers befindet sich an einem Domizil für Briefkastenfirmen in Zug. Und die angekündigten Projekte kamen nie zustande.
- Wir haben bei der Air Zermatt, im Kanton Uri oder bei einem Lokalpolitiker im Kongo nachgefragt. Überall blieben von grossen Worten nur leere Versprechen übrig. Unsere Recherche offenbart eine Scheinwelt voller selbsternannter Würdeträger.
In Zug herrscht ein Präsident, den in der Schweiz kaum jemand kennt. Er reist durch die Welt, schüttelt Hände von Politikern, unterzeichnet Memoranden und stellt sich als «Seine Exzellenz» vor. Er sei Vorsitzender einer internationalen Organisation, sagt er dann. Ihr Name: Global Union, kurz GU.
Die GU will die Welt unter ihrer Führung vereinen. Auf ihrer Website ist die Rede von humanitärer Hilfe und Friedensförderung, von Ministern, Botschaftern und einem eigenen Gerichtshof.
Der St. Galler FDP-Kantonsrat Alexander Bartl war laut Website Minister der GU. Auch der ehemalige libanesische Premierminister, Hassan Diab, hat ein Amt. Eine deutsche Schauspielerin wird als «Goodwill Ambassador» vorgestellt, ein Universitätsprofessor aus Schottland als Botschafter.
«For you, with you, for all» lautet das Motto der Global Union.
«Seine Exzellenz» heisst mit bürgerlichem Namen Fabrice Houmard. Der Schweizer Mitte dreissig trägt das blonde Haar zum Seitenscheitel frisiert, auf Bildern ist er immer elegant in Polohemd oder Anzug gekleidet. Trotz seinen jungen Jahren posierte er bereits auf den Titeln von Wirtschaftsmagazinen. 2022 nahm Houmard in Dubai den Preis als «Leader of the year» von einem deutschen Business-Netzwerk entgegen. An einem anderen Anlass desselben Netzwerks hielt der Leiter der Regionalkoordination Nahost des Schweizer Aussendepartements eine Rede.
Doch REFLEKT-Recherchen zeigen: Die Global Union existiert vor allem in der Fantasie ihrer Schöpfer. Die auf der Website aufgeführten Botschafter verfügen über kein Mandat, ihr Land bei der GU zu vertreten. Die Adresse des GU-Headquarters führt zu einem Domizil für Briefkastenfirmen in Zug, doch ein Briefkasten der Global Union wird dort nicht betreut. Tatsächlich befindet sich das Büro Seiner Exzellenz in einem Dorf im Zürcher Oberland, wo Houmard im Garten eines Einfamilienhauses die Flagge der GU gehisst hat.
Gebrochene Versprechen
Die humanitären Projekte, der Kern der Global Union, hinterlassen mehr Frust als Hoffnung. Einem Politiker in der kongolesischen Region Uvira versprach Houmard, Gelder zu sammeln. Daraufhin habe er nie wieder etwas von ihm gehört, sagt der Mann am Telefon. Auf der Webseite der GU werden die Projekte in Kongo dennoch angepriesen. Die Rettungsgesellschaft Air Zermatt wurde von Houmard angefragt, um bei Zivilschutzprojekten zu kooperieren. Obwohl nie ein Projekt zustande kam, wurde Air Zermatt jahrelang als «Partner» auf der Website genannt.
2018, nachdem eine Passstrasse im Kanton Uri weggebrochen war, nahm Houmard mit dem dortigen Landrat Kontakt auf und stellte in Aussicht, die Kosten für die Instandsetzung zu übernehmen. Der damalige Baudirektor erinnert sich noch an das opulente Briefpapier der Global Union, das ihm seriös vorkam. Das anschliessende Treffen mit Houmard sei ihm nicht verdächtig erschienen. Doch aus der Zusammenarbeit wurde nichts, Houmard meldete sich nie wieder. Recherchen führen bloss zu einem Projekt, das von der GU tatsächlich unterstützt wurde: ein Kinderhospiz in Österreich.
Mehrere Bitten um ein Interview schlug Houmard aus. Sein Pressebüro weist den Vorwurf von sich, es handle sich um eine fiktive Organisation. Man verstehe, dass «eine solch komplexe innovative und zukunftsweisende Struktur» schwer zu verstehen sei. Auf einen ausführlichen Fragenkatalog ging es nicht ein.
Vom Zimmermann zum Präsidenten
Wer ist der Scheinpräsident, dem es trotz gebrochenen Versprechen immer wieder gelingt, Unternehmer und Politiker von sich zu überzeugen? Laut seinem Linkedin-Profil absolvierte Houmard eine Lehre als Zimmermann, war später Bauleiter und diente vier Jahre lang als Offizier bei der Schweizer Armee. Seit 2014 präsentiert er sich auf Instagram in einem neuen Licht: Selfies von Golfplätzen und Luxus-Lounges zwischen St. Moritz, Abu Dhabi und Monaco.
Über die Jahre hat er einen Draht zu vermögenden, schillernden Personen aufgebaut. Eine Geschäftsidee brachte ihn 2017 mit einem Aargauer Unternehmer zusammen, der später wegen Betrug und Urkundenfälschung angeklagt wurde. Auch mit dem Basler Dino Trovato, der als erster Internetmillionär der Schweiz bekannt wurde, war Houmard im Geschäft. Fotos zeigen die beiden in Jachtklubs und Nobelrestaurants an der Côte d’Azur.
Als Unternehmer fasste Houmard nie wirklich Fuss. Dafür fand er über die Diplomatie Eingang in die Welt des Glamours.
Laut eigenen Angaben entstand die Global Union 2016 aus der internationalen Zivilschutzorganisation ICDO. An diese spendete die Schweiz bis 2018 jährlich 150‘000 Franken. Die Global Union sollte Gelder für gemeinsame Projekte mit der ICDO sammeln, so die Abmachung zwischen Houmard und dem damaligen Generalsekretär. 2018 kam eine Recherche von RTS zum Schluss, dass die ICDO Russland als Tarnorganisation diente, um Geldflüsse zu verschleiern. Die Schweiz stellte die Zahlungen daraufhin ein. Auch der Kontakt zwischen der GU und der ICDO brach ab. Heute distanzieren sich beide Organisationen voneinander.
Trotzdem wuchs die GU, zumindest auf dem Papier. Der Scheinpräsident scharte Menschen um sich, einige von ihnen haben ihrerseits Scheinorganisationen aufgebaut. Einer gibt vor, Vorsitzender einer Uno-Bildungsagentur zu sein, die es nicht gibt. Ein anderer behauptet, als Botschafter in einer Organisation zu walten, die eine Nähe zu Interpol suggeriert. Auch das ein Fake. Die falschen Diplomaten erwähnen ihr Amt bei der Global Union stolz in ihren Linkedin-Profilen.
Es offenbart sich eine Parallelwelt der selbsternannten Würdenträger und erfundenen Ämter. Sie verleihen Houmard und seiner Organisation einen offiziösen Schein – und er tut für sie im Gegenzug das Gleiche. Unter den Funktionären der GU befinden sich aber auch solche, die gar nichts von ihrem Glück wissen. Der St. Galler Anwalt und FDP-Kantonsrat Alexander Bartl erfährt erst durch diese Recherche, dass er ein Ministeramt innehat. Er habe Houmard nur rechtlich beraten, sagt er auf Anfrage.
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REFLEKT ist gemeinnützig. Alle Beiträge sind steuerlich absetzbar.Die der Global Union angeschlossene Global Houmard & Co Foundation ist als Stiftung im Zuger Handelsregister eingetragen. Sie ruft öffentlich zu Spenden auf. Zu ihren Direktoren gehören ein Mitarbeiter des Finanzdienstleisters Six und das wohl prominenteste Aushängeschild der Global Union: Hassan Diab, ehemaliger Bildungsminister und Premierminister Libanons. In seine Zeit als Premierminister fiel die verheerende Hafenexplosion in Beirut. Diab wurde als einer der Verantwortlichen angeklagt, das Verfahren ist hängig. Auf die Bitte um eine Stellungnahme reagierte Diab nicht.
Die Aufsicht wird aktiv
Nicht nur das Personal der Stiftung wirft Fragen auf. Sie ist eng verknüpft mit einer Aktiengesellschaft, die an derselben Adresse in Zug gemeldet ist und deren Gründer, Aktionär und Verwaltungsrat ebenfalls Fabrice Houmard war. Das Logo der GU beinhaltet das Logo der AG. «Diese Konstellation ist sehr missbrauchsanfällig», sagt ein führender Compliance-Experte, der nicht namentlich genannt werden will. Die Gefahr bestehe, dass private und gemeinnützige Zwecke vermischt würden.
Nichts weist darauf hin, dass diese Aktiengesellschaft je wirtschaftlich tätig war. Im Gegenteil: Erst verlor sie ihr Domizil in Zug, weil sie die Gebühren nicht mehr zahlte, dann kündigte ihr die eigene Treuhandfirma. Deswegen wurde die Firma 2024 von Amtes wegen aufgelöst.
Auch bei der Stiftung läuft es nicht rund. Die Eidgenössische Stiftungsaufsicht bittet Houmard seit Jahren erfolglos, Unterlagen und Rechenschaftsberichte einzureichen, wie interne Korrespondenzen zeigen, welche die Aufsicht gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz offenlegte. Daraus geht auch hervor, dass sich das Stiftungskapital unter anderem aus Lizenzen und Diamanten von unbekanntem Wert zusammensetzt.
Die Stiftungsaufsicht kann bei einer Stiftung, die den Stiftungszweck nicht erfüllt, einen Sachwalter einsetzen und sie als letzte Massnahme auflösen. «Eigentlich sollten wir innert weniger Monate reagieren können, wenn eine Stiftung nicht auf Mahnschreiben reagiert», sagt der Leiter Nils Güggi. «Im Moment geht es deutlich länger, weil wir Altlasten abarbeiten und einige weitere Fälle prioritärer behandeln müssen.» Der Stiftung von Houmard droht daher, wie bereits der Aktiengesellschaft, die Zwangsauflösung.
Viele seiner anfänglichen Mitstreiter haben sich von Houmard abgewandt. Gestoppt hat das den Präsidenten nicht. Im Sommer verkündete er, seine Stiftung arbeite mit den Arabischen Emiraten an einem Innovationszentrum in Simbabwe. Erklärtes Ziel: Wachstum und Entwicklung für die Region, den afrikanischen Kontinenten – und darüber hinaus.
Dieser Artikel wurde mit finanzieller Unterstütztung von JournaFONDS recherchiert und umgesetzt.