«Hast du Machtmissbrauch an deiner Universität erlebt?», fragten wir in einer schweizweiten Umfrage. Innert kürzester Zeit meldeten sich 180 Personen. Ihre Schilderungen offenbaren ein strukturelles Problem im Wissenschaftsbetrieb.

You can read this investigation in English here.

Das Wichtigste in Kürze

  • Wir haben eine schweizweite Umfrage zu Machtmissbrauch an Universitäten lanciert. Innert weniger Wochen haben uns 180 Personen ihre Erlebnisse geschildert.
  • Die Vorwürfe der Befragten reichen von Mobbing und Erniedrigungen bis hin zu Diskriminierung, sexueller Belästigung und Übergriffen. Eine überwiegende Mehrheit schildert psychische Probleme als Folge des Machtmissbrauchs – am häufigsten Depressionen, Schlafstörungen, Angststörungen und Panikattacken.
  • Am stärksten betroffen sind Doktorand:innen: Sie sind in mehrfacher Hinsicht abhängig von ihren Professor:innen – als Vorgesetzte, Betreuende und Gutachter:innen.
  • Kaum eine Person fühlte sich durch ihre Uni ausreichend unterstützt. Zwar wurden einige Betroffene von internen Anlaufstellen gut beraten, doch wirklich helfen konnten diese nicht.
  • Ein Grund dafür sind strukturelle Probleme: Steile Hierarchien, befristete Verträge oder die universitäre Selbstverwaltung begünstigen Machtmissbrauch und erschweren Sanktionen. Viele Betroffene trauen sich gar nicht erst, Vorfälle zu melden. Und wenn sie sich trauen, sind Konsequenzen für Professor:innen selten.

Eine Professorin, die ihre Doktorierenden grundlos anschreit.

Ein Professor, der sein Forschungslabor wie eine Sekte führt.

Ein Konferenzgast, der eine Doktorandin sexuell belästigt.

Drei Beispiele, die für einen systematischen Missstand im Schweizer Wissenschaftsbetrieb stehen.

REFLEKT hat Angehörige aller Schweizer Universitäten gebeten, von Erfahrungen mit Machtmissbrauch zu erzählen. Es meldeten sich 180 Personen innerhalb von fünf Wochen. 142 der Fälle werteten wir als Machtmissbrauch.

Mit 38 Betroffenen haben wir anschliessend persönliche Gespräche geführt. Sie erzählten uns ausführlich, wie sie belästigt, gemobbt, systematisch benachteiligt, fertiggemacht oder an ihre psychischen Grenzen gebracht wurden. Neunzehn dieser Protokolle kannst du auf dieser Seite anhören.

Mobbing und Herabwürdigung weitverbreitet

Die Erfahrungen all dieser Menschen unterscheiden sich. Genauso wie ihr Hintergrund. Es meldeten sich Personen mit Schweizer Pass und ausländische Wissenschaftler:innen. Sie studieren, doktorieren und forschen in den verschiedensten Fachgebieten und an beinahe allen Schweizer Universitäten.

Was sie eint: Sie fühlen sich von ihrer Universität im Stich gelassen. Viele wandten sich nie an interne Anlaufstellen – aus Angst vor negativen Konsequenzen oder aus Misstrauen. Und selbst wenn entscheidende Stellen informiert waren, passierte oft nichts oder wenig.

Stattdessen berichten viele der Betroffenen, dass sie den Traum von der Forschung aufgegeben haben. Und auch nach Monaten oder Jahren noch unter den psychischen Folgen des Erlebten leiden.

Unsere Recherche zeigt: Machtmissbrauch ist an Schweizer Universitäten deutlich weiterverbreitet, als es die Berichterstattung über aufsehenerregende Einzelfälle in den vergangenen Jahren vermuten lässt.

Und sie wirft die Frage auf: Warum gelingt es den Hochschulen nicht, ihre Studierenden und Mitarbeitenden besser zu schützen?

Das Video zur Recherche

Sehr viele Betroffene berichten von Vorgesetzten, die ihre Mitarbeitenden regelmässig herabwürdigen. «Wenn jemand Resultate präsentierte, die das Narrativ meines Vorgesetzten nicht stützten, zerstörte er diese Person vor dem ganzen Team. Erwachsene Männer, die es gewohnt sind, Reden an grossen Konferenzen zu halten, sassen weinend am Boden, bevor sie ihm ihre neuesten Daten zeigten», erzählt ein Wissenschaftler. Eine Nachwuchsforscherin berichtet: «Immer wieder schrie unsere Professorin Leute in Besprechungen an und schlug dabei auf den Tisch oder an die Wand.»

Andere Personen erzählen von rassistischen Bemerkungen, etwa ein ehemaliger Nachwuchsforscher: «Mein Professor sagte mir immer wieder, dass ich nie wirklich gut sein könne in meinem Fach, da ich aus einem anderen Kulturkreis stamme – meine Genetik würde das gar nicht zulassen.»

Besonders oft beklagen Betroffene einen Leistungsdruck, der sie psychisch und physisch an die Grenzen brachte. Jemand erzählt: «Mir wurde vermittelt, dass wenn ich nicht 80 Stunden in der Woche arbeiten könne, ich vielleicht nicht gemacht sei für die Akademie. Ich entwickelte eine Stressdemenz und bin in der Zwischenzeit in Behandlung wegen Burnout-Symptomen.» Manche beschreiben, dass sie regelmässig Assistenzaufgaben übernehmen mussten, die eigentlich nicht zu ihrer Stelle gehörten.

Am häufigsten schildern Betroffene, dass sie von ihrer Betreuungsperson systematisch daran gehindert wurden, in ihrer Forschung und ihrer Karriere voranzukommen. Eine Nachwuchsforscherin sagt über ihren Professor: «Er verlangt endlose Revisionsrunden. So können wir unsere Publikationsliste nicht aufbauen. Seit vier Jahren publiziert in unserer Abteilung niemand ein empirisches paper.»

Ein kontinuierlicher Prozess

Ausserdem erfuhren wir von Fällen, in denen Vorgesetzte die Forschungsarbeit ihrer Angestellten gestohlen, ihre Doktorand:innen kaum oder gar nicht betreut, ihnen gedroht oder unangebrachte Kommentare zu ihrem Privatleben geäussert haben sollen.

Die Erfahrungen gehen weit auseinander. Nicht alle Betroffenen beschreiben einzelne grenzüberschreitende Vorfälle. Manche berichten von einem allgemeinen Umgang, den sie als «manipulativ», «unvorhersehbar», «exkludierend», «schikanös» oder «herabwürdigend» bezeichnen.

«Machtmissbrauch kann ein kontinuierlicher Prozess sein», sagt Bontu Guschke, die zum Thema Machtmissbrauch im wissenschaftlichen Betrieb doktorierte und als Beraterin für Antidiskriminierung arbeitet. «Am Anfang werden Menschen etwa oft isoliert oder in eine Abhängigkeit gebracht. Das sind Faktoren, die Machtmissbrauch später begünstigen.»

Fast alle Betroffenen berichten von teils schweren psychischen Folgen. Ein Mitglied des Mittelbaus erzählt: « Ich entwickelte eine Angststörung und brauchte ein bis zwei Jahre Therapie, um damit umgehen zu können.» Ein Nachwuchswissenschaftler sagt: «Ich ringe bis heute mit den Narben dieser Erfahrung. Die Schweiz und meine Universität waren einst mein grosses Traumziel. Heute bin ich zutiefst enttäuscht und rate ausländischen Forschenden davon ab, hierherzukommen.»

Über die Umfrage

Mit der Umfrage fokussieren wir nicht auf einzelne problematische Fälle, sondern wollen das Ausmass von Erfahrungen mit Machtmissbrauch im Wissenschaftsbetrieb abbilden. In den Berichten suchten wir nach wiederkehrenden Mustern und leiteten daraus unsere Analyse ab. Anders als sonst veröffentlichen wir keine der von den Vorwürfen betroffenen Namen von Personen oder Institutionen und konfrontierten sie nicht. So ermöglichten wir es Betroffenen, uns anonym von ihren Erfahrungen zu berichten ohne Angst vor negativen Konsequenzen.

Bis zum 14. Juli meldeten sich rund 180 Personen und berichteten schriftlich von ihren Erfahrungen mit Machtmissbrauch sowie vom Umgang ihrer Universität damit. 142 der Schilderungen werteten wir als Fälle von Machtmissbrauch, wobei wir die schriftlichen Antworten selbst interpretierten. Als Machtmissbrauch kategorisierten wir etwa Mobbing, systematische Benachteiligung, Herabwürdigung, Drohung, Diskriminierung und sexuelle Belästigung oder Übergriffe hierarchisch höhergestellter Personen.

Beschreibungen von fehlender Betreuung, Micromanaging und Ausbeutung werteten wir als Situationen von Machtmissbrauch im weiteren Sinne. Oft nannten die Teilnehmenden der Umfrage mehrere solcher Kategorien gleichzeitig. Mit 38 Personen suchten wir das Gespräch. Sie schilderten uns ihre Erlebnisse zusätzlich mündlich. 20 dieser Erfahrungsberichte veröffentlichen wir auf dieser Seite in Form von anonymisierten Audioprotokollen. Die Identitäten dieser Personen und ihre Verbindung zur Universität haben wir verifiziert.

Um Machtmissbrauch vorzubeugen und zu bekämpfen, haben Schweizer Universitäten in den vergangenen Jahren Strukturen geschaffen. Die ETH Zürich etwa richtete die «Respektstelle» ein, eine vertrauliche Anlaufstelle bei Diskriminierung, Belästigung und Mobbing am Arbeitsplatz.

2024 kam eine «Klärungsstelle» dazu, die Mediationen zwischen Konfliktparteien durchführt. Die externe, von der ETH mandatierte Meldestelle schliesslich kann einen internen Beschwerdemechanismus in Gang setzen und erste Abklärungen der gemeldeten Vorfälle vornehmen.

Unzureichende Instrumente

Eine solche Melde-Architektur kennt mittlerweile jede Schweizer Universität, auch wenn sie sich stark voneinander unterscheiden. Die Universitäten in Lausanne und Luzern etwa betreiben zusätzlich eine anonyme Whistleblowing-Plattform. An einigen Universitäten, etwa in Fribourg, fungieren Professor:innen als Vertrauens- oder Ombudspersonen. An anderen gibt es unabhängiges und spezialisiertes Personal.

Doch die Auswertung unserer Umfrage zeigt: All diese Modelle scheinen ihren Zweck nur bedingt zu erfüllen.

Ungefähr ein Drittel der Betroffenen gab an, die Erlebnisse überhaupt nicht gemeldet zu haben – aus Furcht vor Konsequenzen für die eigene Karriere. Eine ehemalige Doktorandin sagt: «Ich hatte Angst, mich zu wehren, weil ich von der Notengebung meines Professors abhängig war.»

Berichte wie dieser machen deutlich: Professor:innen haben den Schlüssel zur Zukunft des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Hand. Zum einen, weil sie entscheiden, ob die meist befristeten Verträge ihrer Angestellten verlängert werden. Zum anderen, weil sie Empfehlungsschreiben ausstellen, Noten vergeben und Kontakte vermitteln.

Ohne diese Unterstützung ist eine Karriere kaum möglich. In der Wissenschaft werden oft ganze Forschungsfelder von wenigen Personen geprägt. Deswegen ist die Hürde, sich gegen allfälligen Machtmissbrauch zu wehren, besonders hoch.

Mehr Zahlen aus der Umfrage

Die Umfrage ist nicht repräsentativ, da sich die Teilnehmenden selbst gemeldet haben und nicht zufällig ausgewählt wurden. Sie ermöglicht aber eine grobe Einschätzung der Grössenordnung des Missstands sowie einen Einblick in Muster und Mechanismen, wie Machtmissbrauch erlebt und verarbeitet wird.

Position
Der grösste Teil der Personen, die sich meldeten, gab an, ein Doktorat zu machen oder gemacht zu haben. Einige sind oder waren Postdocs oder studieren. Die Personen, von denen der mutmassliche Machtmissbrauch ausging, waren mehrheitlich primäre Betreuende von Doktorierenden und ordentliche Professor:innen.

Universität
138 Personen gaben an, an welcher Universität sie den mutmasslichen Machtmissbrauch erlebt haben. Genannt wurden die Universitäten Bern, Lausanne, Zürich, Lugano, Genf, Basel, Luzern, Neuchâtel und Fribourg sowie die ETH und EPFL.

Anlaufstellen
Über ein Drittel der Personen gab in der Umfrage an, die Erfahrung bei keiner mit der Universität assoziierten Stelle gemeldet zu haben. Die meisten von denen, die eine solche Stelle aufgesucht hatten, waren unglücklich mit dieser Erfahrung. Eine Handvoll Personen war zufrieden. Einige machten gemischte Angaben, etwa, dass ihnen auf der Anlaufstelle zugehört und geholfen wurde, sie sich aber weitere Schritte gewünscht hätten. Die restlichen Personen schilderten die Erfahrung mit der Anlaufstelle nicht ausführlich genug, um sie als positiv oder negativ zu werten.

Konsequenzen
Fast ein Drittel der Personen gab an, die wissenschaftliche Karriere aufgegeben zu haben oder über diesen Schritt nachzudenken. Mehrere Betroffene berichteten, sie hätten infolge ihrer Erfahrungen die Stelle oder gar das Fachgebiet gewechselt. Viele Personen schilderten zudem Motivationsverlust und psychische Probleme als Folge des Erlebten. Oft genannt wurden Schlafstörungen, Depressionen und Angststörungen.

Das ist den Verantwortlichen an den Universitäten bewusst. Einige bieten Möglichkeiten an, Vorfälle anonym zu melden. Oft seien diese jedoch im Sand verlaufen, berichten mehrere Betroffene.

Bei den ETH-Anlaufstellen werde man auch in solchen Fällen tätig, versichert eine Sprecherin. Man suche dann auf verschiedenen Wegen nach Indizien dafür, dass tatsächlich ein Problem vorliegt. Damit eine Konfrontation möglich wird und die Anonymität der meldenden Person gleichzeitig gewahrt bleibt. Man sei oft im Hintergrund aktiv, auch wenn die Studierenden das nicht immer mitbekommen.

Das Vertrauen ist gering

Mehrere Betroffene berichten, dass sie nach einer Meldung oder einer Beschwerde an ihrer Universität nicht über weitere Schritte informiert wurden. Das bemängelt auch Expertin Bontu Guschke: «Man steht dann allein da.»

Während dieser ungewissen Zeit müssten Betroffene begleitet und betreut werden. Und auch danach: «Man kann Betroffenen erklären, warum eine bestimmte Massnahme getroffen oder nicht getroffen wurde und was für Möglichkeiten es gibt, sich wieder zu melden, falls das Verhalten nicht aufhört.»

Hinzu kommt ein weiteres Problem: Anlaufstellen und Diversity-Abteilungen haben nur beschränkte Möglichkeiten, zu intervenieren. Sie können etwa Weiterbildungen anbieten, Tipps zum Umgang mit Konflikten geben, andere Stellen informieren oder, sofern das möglich ist, Mediationen durchführen. Letztere erfüllen ihren Zweck nicht immer: «Es kam zu einer Mediation zwischen mir und dem Professor», berichtet ein ehemaliger Doktorand. «Er sah aber keinen Fehler bei sich, daher brachte das nichts.»

Generell, so nehmen es viele Betroffene wahr, sind die Anlaufstellen ein unzureichendes Instrument, um Machtmissbrauch zu bekämpfen. Weil die steilen Hierarchien und starken Abhängigkeiten ihre Arbeit erschweren. Und sie kaum Kompetenzen haben, um Professor:innen zur Verantwortung zu ziehen.

Das führt dazu, dass das Vertrauen in die Stellen gering ist. Eine ehemalige Studentin, die das übergriffige Verhalten eines Professors beobachtet hat, sagt gegenüber REFLEKT: «Ich habe den Vorfall an meiner Universität nie offiziell gemeldet. Weil ich dachte, es würde sowieso nichts gemacht.»

Eigentlich müssten die einzelnen Institute oder Departemente ein sicheres Arbeitsumfeld schaffen. Doch in der Regel verwalten die Professor:innen sich und ihre Angestellten weitgehend selbst.

Das garantiert Wissenschaftsfreiheit, schafft aber auch Probleme. «Professoren reden sich ungern gegenseitig rein – es geht ja um spezifische Expertisen», sagt Janet Hering, emeritierte Professorin und ehemalige Leiterin des Eawag-Instituts des ETH-Bereichs.

Diese Zurückhaltung würden sie auch an den Tag legen, wenn es um den Umgang ihrer Kolleg:innen mit Angestellten gehe. Hinzu kommt, dass die meisten Professor:innen zwar grosse Teams leiten und ein beträchtliches Budget verwalten, für diese Aufgaben aber gar nicht ausgebildet sind. Bei der Berufung steht die wissenschaftliche Leistung im Fokus – nicht die Leitungskompetenz.

Langsame Reformprozesse

Wenn Kolleg:innen an den Instituten nicht einschreiten und die Möglichkeiten der Anlaufstellen ausgeschöpft sind, bleiben noch die Universitätsleitungen. Sie können verbindliche Sanktionen beschliessen und einem Professor etwa das Budget kürzen oder ihm untersagen, neue Doktorand:innen einzustellen.

Viele Betroffene schildern, dass es auch nach einer Eskalation bis zur Leitung keine Konsequenzen gab. Ein Nachwuchswissenschaftler sagt: «Ernsthafte Meldungen werden regelmässig zurückgewiesen oder unter den Teppich gekehrt. Opfer bleiben isoliert und ohne Möglichkeit, sich zu wehren.»

Die Hürde für die höchste Eskalationsstufe, die Entlassung, ist bei ordentlichen Professor:innen hoch. Meistens müssen sowohl Rektorat als auch Universitätsrat, das höchste Gremium, sich einigen und die Kündigung begründen. «Die Menschen, die über solche Massnahmen entscheiden, sind nicht neutral», bemängelt Hering. «Manchmal wollen sie mit ihren Entscheidungen die Institution schützen und nicht die betroffenen Personen.»

 

Die REFLEKT-Umfrage gab Betroffenen auch die Möglichkeit, Verbesserungsvorschläge zu formulieren. Zusammengefasst wünschen sich viele, dass Hierarchien abgebaut und Abhängigkeiten reduziert werden. Anlaufstellen müssten unabhängiger sein und problematische Vorgesetzte stärker zur Verantwortung gezogen werden. Zudem sollen Führungspersonen besser geschult werden.

Vorschläge von Betroffenen und Expert:innen

  • Lehrstuhlinhaber sollten nicht drei Rollen gleichzeitig ausfüllen und so die ganze Macht über ihre Mitarbeitenden haben.
  • Doktorierende und Postdocs sollten nicht bei einzelnen Profs, sondern bei Instituten angestellt sein, so dass sich Macht und Verantwortung aufteilen.
  • Anlaufstellen sollten unabhängig und ausserhalb der Universität angesiedelt sein.
  • Es sollte mehr unbefristete und gut bezahlte Stellen in der Wissenschaft geben, nicht nur für Professor:innen.
  • Es braucht anonyme Meldestellen.
  • Es braucht einen Mechanismus, anhand dessen die eigene Betreuungsperson anonym beurteilt werden kann.
  • Angehende Doktorierende sollten, noch bevor sie sich auf eine Stelle bewerben, erfahren können, bei welchen Profs Doktorierende ständig abbrechen.
  • Lehrstuhlinhaber sollen zu Weiterbildungen im Bereich Antidiskriminierung und im Bereich Teamleitung verpflichtet sein.
  • Bei Fehlverhalten sollen Massnahmen ergriffen werden.
  • Es braucht eine stärkere Vernetzung und Organisation zwischen den Mitgliedern des Mittelbaus.

Manche dieser Vorschläge werden vereinzelt bereits umgesetzt. Doch auch wenn es Veränderungen gibt, zeigen sich diese nur punktuell. Denn Reformprozesse sind träge und gerade diejenigen, die Macht abgeben müssten, haben am meisten Mitspracherecht.

Ein Beispiel: Fragen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses regelt an der Universität Zürich die Forschungsförderungskommission. Sieben von zwölf Personen in dieser Kommission sind Inhaber eines Lehrstuhls, eine Person ist die Vizerektorin. Lediglich ein Drittel der Kommission besteht aus Vertreterinnen von Studierendenschaft und Mittelbau.

Keine schweizweite Strategie

Der Dachverband der Schweizer Hochschulen swissuniversities teilte uns, konfrontiert mit der Recherche, schriftlich mit: «Gremien von swissuniversities beabsichtigen, die Ergebnisse dieser Umfrage zu traktandieren. Ziel ist es, die Resultate einzuordnen und mögliche Schlussfolgerungen zu diskutieren.»

Jeder bestätigte Fall von Machtmissbrauch widerspreche den Werten der Hochschulen. Es gebe zurzeit keine schweizweite Strategie zu Prävention und Bekämpfung, aber einen von verschiedenen Organisationen gemeinsam erarbeiteten Kodex zur wissenschaftlichen Integrität.

Die Geschichten der Betroffenen zeigen: Nicht die Täter:innen zahlen den Preis – sondern jene, die Machtmissbrauch erleben. Rund ein Drittel der Umfrageteilnehmenden hat die akademische Karriere abgebrochen oder denkt über diesen Schritt nach. Eine Nachwuchswissenschaftlerin sagt über ihre Entscheidung: «Mir ist es wichtiger, meine Gesundheit zu schützen, denn dieses System ist widerwärtig und schützt die Personen ganz oben in der Hierarchie.»

Dies ist der erste Teil unserer Recherche zu Machtmissbrauch an Schweizer Universitäten. Aufgrund der zahlreichen Rückmeldungen werden wir das Thema weiterverfolgen. Abonniere unseren Newsletter um auf dem Laufenden zu bleiben. 

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Anina Ritscher

Recherche und Text

Valentin Felber

Produktion und Video

Christian Zeier

Recherche und Redaktion

Johanna Weidtmann

Redaktion

Gülsha Adilji

Video-Host

Florian Spring

Art Direction

Stephan Schmitz

Illustration

Chiara Lötscher

Animation