Mafiaboss geständig: Millionen über FCZ-Sponsor AntePAY umgesetzt

Der ehemalige Hauptsponsor des FC Zürich war ein Produkt der türkisch-schweizerischen Glücksspielmafia. Mehr als 44 Millionen hat die kriminelle Organisation über die Bezahlkarte AntePAY umgesetzt. Jetzt ist die Mafia-Führung geständig.

Leuchtend orange prangte das Logo der Bezahlkarte AntePAY zwischen 2019 und 2021 auf den Trikots des FC Zürich. Genau zu jener Zeit, in der die mafiöse Organisation hinter AntePAY mit illegalem Glücksspiel Millionen erwirtschaftete. Das geht aus der Anklageschrift der Zürcher Staatsanwaltschaft gegen ein führendes Mitglied der türkisch-schweizerischen Glücksspielmafia hervor. Der 46-jährige Zürcher wird beschuldigt, für das IT-System und die Einnahmen-Verwaltung der Organisation verantwortlich gewesen zu sein. Seine Verhandlung findet heute Dienstag vor dem Bezirksgericht Zürich statt.

Laut Anklageschrift hat die Glücksspielmafia ab 2019 324 Millionen Franken mit illegalem Glücksspiel umgesetzt. Für mehr als 44 Millionen davon sei die Bezahlkarte AntePAY genutzt worden. Spielerinnen und Spieler konnten Guthaben auf die Bezahlkarte laden und so anonym Einzahlungen auf illegalen Glückspielseiten oder in illegalen Spiellokalen tätigen. Der FC Zürich hatte AntePAY im Juli 2019 als neuen Hauptsponsor vorgestellt und trug das Logo während zweier Saisons auf der Brust.

Nur Spitze des Eisbergs

Das Verfahren der Zürcher Staatsanwaltschaft beschränkt sich auf den Zeitraum zwischen 2019 und der Verhaftung der Beschuldigten im Jahr 2023. REFLEKT-Recherchen legen nahe, dass es sich dabei nur um die Spitze des Eisbergs handelt. Laut mehreren gut informierten Quellen soll die Organisation rund um den mutmasslichen Mafiaboss M.Y* seit mindestens zehn Jahren im lukrativen Geschäft mit illegalen Sportwetten und Casinospielen tätig sein. Neben Webseiten wie Siskowin.com oder Solobet.com soll sie physische Glücksspiellokale in zahlreichen Kantonen kontrollieren. Über mehrere der Seiten wurde auch nach der Verhaftung der Führungsmitglieder illegales Glücksspiel angeboten.

«Die Täterschaft verkaufte (…) das Zahlungsmittel «AntePay» Card, das fast ausschliesslich dazu benutzt wurde, Einsätze für das von der Gruppierung angebotene illegale Geldspiel zu platzieren bzw. Spielguthaben zu erwerben», heisst es in der Anklageschrift. Damit bestätigt die Staatsanwaltschaft, was REFLEKT-Recherchen bereits vermuten liessen: Der ehemalige Sponsor eines der grössten Schweizer Fussballclubs war das Produkt einer kriminellen Organisation.

«Sehr ärgerlich» für den FCZ

Im Oktober 2022 zeigte REFLEKT gemeinsam mit SRF Investigativ auf, dass AntePAY für illegales Geldspiel verwendet wurde und mit grosser Wahrscheinlichkeit für diesen Zweck konzipiert worden ist. Ausserdem beleuchteten wir das weitreichende Netzwerk der türkisch-schweizerischen Glücksspielmafia und den Sponsoring-Deal zwischen AntePAY und dem FC Zürich. Es sei «sehr ärgerlich, wie es gelaufen ist», sagte FCZ-Präsident Ancillo Canepa damals. Die Sportvermarktungsfirma InfrontRingier Sports & Entertainment hatte ihm AntePAY als Hauptsponsor vermittelt.

Im September 2023 nahm die Kantonspolizei Zürich fünf Mitglieder der Glücksspielmafia fest. Die Staatsanwaltschaft Zürich hatte seit 2019 ein umfangreiches Verfahren gegen die Organisation geführt.

Nun bringt sie mit dem IT-Verantwortlichen das erste Mitglied der Organisation vor Gericht. Der Mann ist geständig, weshalb ihm in einem abgekürzten Verfahren der Prozess gemacht wird. Genehmigt der Richter seine Anklageschrift, wird der Beschuldigte wegen Verbrechen gegen das Geldspielgesetz und schwerer Geldwäscherei zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die sechs Monate, die er tatsächlich absitzen müsste, hat er bereits in Untersuchungshaft verbracht.

Auch Boss ist geständig

Wie REFLEKT-Recherchen zeigen, sind auch die vier anderen im September verhafteten Mafia-Mitglieder geständig.  Unter ihnen der mutmassliche Mafiaboss M.Y.*.  Auf Anfrage bestätigt die Zürcher Staatsanwaltschaft, dass sie alle fünf Beschuldigten in einem abgekürzten Verfahren vor Gericht bringt. Wegen Verbrechen gegen das Geldspielgesetz und schwerer Geldwäscherei beantragt sie je nach Tatbeteiligung und Verschulden zwischen zwei und vier Jahren.

Die möglichen Höchststrafen für schwere Geldwäscherei und schwere Widerhandlung gegen das Geldspielgesetz betragen je fünf Jahre.  Dafür müssten laut Staatsanwaltschaft die Tatschwere maximal und die Täter ungeständig sein. Bei einem vollen Geständnis hingegen könne eine Strafreduktion von bis zu 50 Prozent gewährt werden. Zudem sei der vorliegende Fall «zwar sehr schwerwiegend, aber nicht der denkbar schwerste Fall».

Somit dürfte der mutmassliche Boss der Glücksspielmafia, M.Y., mit einer Freiheitsstrafe von vier Jahren davonkommen. Wird er verurteilt, müsste er zusätzlich den auf 171 Millionen Franken bezifferten, illegal erwirtschafteten Bruttogewinn zurückzahlen. Einen Grossteil dieses Geldes konnte die Staatsanwaltschaft aber noch nicht finden. Sie geht davon aus, dass die Einnahmen in die Türkei transferiert und dort in Immobilien und andere Vermögenswerte investiert wurden. Wann die weiteren Prozesse stattfinden, ist noch nicht bekannt.

*Name der Redaktion bekannt

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Christian Zeier

Recherche & Text

Titelbild

Florian Spring