Zürcher Unternehmer war Pokerchef der Glücksspielmafia

Überraschendes Urteil im Fall AntePAY: Der Sohn einer bekannten Zürcher Politikerin wurde wegen Verbrechen gegen das Geldspielgesetz schuldig gesprochen. Er war Pokerchef der türkisch-schweizerischen Glücksspielmafia.

 

Unterschiedlicher könnten sie kaum sein. Auf der einen Seite M.Y.*:  mit 16 aus der Türkei in die Schweiz migriert, abgebrochene Lehre in der Autobranche, später Jobs in einem Lebensmittelgeschäft und als Kioskbetreiber.

Auf der anderen Seite L.K.*: aufgewachsen in gehobenen Verhältnissen, Wirtschaftsstudium, gut vernetzter Unternehmer und Sohn einer bekannten Zürcher Politikerin.

Trotz der unterschiedlichen Biografien haben die beiden Männer zueinandergefunden – als Geschäftspartner und Teil der türkisch-schweizerischen Glücksspielmafia. Wie REFLEKT weiss, wurde der Ökonom L.K. Anfang April vor dem Bezirksgericht Zürich wegen gewerbs- und bandenmässigem Verbrechen gegen das Geldspielgesetz verurteilt. Sein Chef: der ehemalige Kioskbetreiber M.Y.

Bereits im Oktober 2022 hatte REFLEKT publik gemacht, dass M.Y. eine der grössten illegalen Glücksspielorganisationen führte, welche die Schweiz je gesehen hat. Über Jahre hinweg hatte er mit illegalen Glücksspielseiten wie siskowin.com oder solobet.com Millionen verdient. Sein Netzwerk umspannte mehrere Kantone, IT-Spezialisten, Geldeintreiber und Dutzende Lokale.  Im vergangenen Dezember wurde M.Y. wegen Verbrechen gegen das Geldspielgesetz und schwerer Geldwäscherei verurteilt. Mehr als 300 Millionen Franken hatte seine Organisation laut Staatsanwaltschaft allein zwischen 2019 und 2023 umgesetzt. Mit der Bezahlkarte AntePAY wurde er sogar Hauptsponsor des FC Zürich.

Weil die Führungsriege der Glücksspielmafia aus der Türkei stammt und das illegale Glücksspiel vorwiegend in türkischen Lokalen angeboten wurde, schien es lange so, als handle es sich um ein Phänomen innerhalb eines türkischsprachigen Milieus. Daran lässt das Urteil gegen den Zürcher Politikerinnensohn nun Zweifel aufkommen.

Für seine Taten wurde er Anfang April vom Bezirksgericht Zürich zu zwei Jahren bedingt und einer Ersatzforderung von 300’000.– Franken verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig, es wurde keine Berufung eingelegt. Laut Anklageschrift war der Ökonom von März 2021 bis Februar 2022 für die Verbreitung, Bewerbung und Durchführung von illegalem Pokerspiel zuständig. Er habe das Angebot der kriminellen Organisation um Online-Pokerspiele ergänzt und selbst 65 Spielerkonten verwaltet. Ihm unterstellt waren acht sogenannte Reseller, die weitere Spieler anwarben.

Das wirft Fragen auf: Wieso braucht eine kriminelle Organisation, die mit illegalem Glücksspiel Millionen verdient, einen gut vernetzten Unternehmer als Poker-Verantwortlichen? Wer befand sich im exklusiven Kreis seiner 65 Kunden? Und in welchem Milieu wurden diese Pokerpartien gespielt?

Klar ist: Es ging um viel Geld. In weniger als einem Jahr nahm das Netzwerk mit illegalem Online-Pokerspiel über 1,2 Millionen Franken ein. Und: Bei der Verhaftung des Politikerinnensohns beschlagnahmte die Polizei nicht nur Luxusuhren und Bargeld, sondern auch mehrere Darlehensverträge. Einer davon mit einem anderen Zürcher Unternehmer. Darlehenssumme: eine Million Franken.

*  REFLEKT anonymisiert die Verurteilten und schützt damit ihre Persönlichkeitsrechte. Die familiäre Beziehung des Pokerchefs wird erwähnt, weil sie relevante Hinweise auf das Milieu der Täterschaft gibt.

Christian Zeier

Recherche & Text

Florian Spring

Titelbild